Kassel. Die Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL) hat erfolgreich die Elbe gequert: Am Wochenende ist für die Flussquerung ein rund ein Kilometer langer Pipelinestrang von der niedersächsischen Uferseite bei Barförde aus unter der Elbe hindurch bis auf die mecklenburgische Seite bei Boizenburg gezogen worden. Für die Elbquerung musste im Vorfeld der größte unterirdische Bohrkanal Europas errichtet werden: Genau 1080 Meter lang und mit einem Durchmesser von 1,80 Meter führt er unter den beiden Deichen und der an dieser Stelle rund 300 Meter breiten Elbe hindurch. „Für das Einziehen der Rohrleitung in den Bohrkanal haben wir nur gut acht Stunden gebraucht, was eine große technische Leistung ist. Der Pipelinestrang, der unter der Elbe hindurchgezogen werden musste, hat einen Durchmesser von 1,40 Meter und wiegt mehr als 900 Tonnen“, erklärt Oberbauleiter Michael Muth. Die westliche Anschlussleitung der Ostsee-Pipeline Nord Stream führt von Lubmin aus über 440 Kilometer durch Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen bis nach Rehden südlich von Bremen.
Für die NEL-Querung der Elbe wurde das so genannte horizontale Richtbohrverfahren (HDD) angewandt. Die Technik ermöglicht durch modernste Steuermöglichkeiten eine grabenlose und zielgenaue Bohrung, ohne überirdisch Spuren zu hinterlassen. „So konnte der Eingriff in die Natur so gering wie möglich gehalten werden“, erläutert Muth. Im Gegensatz zu anderen technischen Verfahren werden bei einer HDD-Bohrung keine tiefen Baugruben benötigt und auch die Bauzeit ist extrem kurz. Zudem musste für die Bauarbeiten weder die Schifffahrt auf der Elbe unterbrochen werden, noch wurde die Deichsicherheit beeinträchtigt.
Im Vorfeld der Genehmigung und der Bauarbeiten war das Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg sowie der Artlenburger Deichverband und das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg in die Planung für die Elbquerung mit einbezogen worden. „Wenn wir die Möglichkeit haben, greifen wir immer auf regionale Fachverbände zurück, da diese die Besonderheiten solcher sensiblen Trassenabschnitte bestens kennen“, so Projektleiter Axel Bühning zum Vorgehen bei der Festlegung des Leitungsverlaufes. „Der intensive Austausch zu Beginn der Planung ist neben Erkundungen und Untersuchungen vor Ort sehr wichtig.“
Die Bauarbeiten für die NEL-Pipeline haben im Frühling dieses Jahres begonnen. Von den insgesamt 440 Leitungskilometern sind bereits über 230 Kilometer verlegt und rund 300 Kilometer verschweißt. Insgesamt müssen über 24.500 rund 18 Meter lange und 15 Tonnen schwere Rohrsegmente verlegt werden. Errichtet wird die Erdgasleitung von der WINGAS-Gruppe und der E.ON Ruhrgas. An der NEL beteiligt sind neben der WINGAS (51 Prozent) und der E.ON Ruhrgas (10 Prozent) die niederländische Erdgastransportgesellschaft N.V. Nederlandse Gasunie (20 Prozent) und der belgische Netzbetreiber Fluxys G (19 Prozent). Die geplanten Investitionen für das Pipelineprojekt belaufen sich auf rund eine Milliarde Euro. Die Transportkapazität beträgt rund 20 Milliarden Kubikmetern Erdgas pro Jahr, was ungefähr einem Fünftel des deutschen Jahresverbrauchs entspricht.