Baruth/Kassel. Die Erdgasleitung OPAL ist mit einer Länge von über 470 Kilometern die längste Baustelle Deutschlands. Auf ihrem Weg von der Ostseeküste bei Greifswald bis in die Tschechische Republik wird die Leitung auch den einstigen Kessel von Halbe in Brandenburg durchqueren. In dieser Region kamen zum Ende des Zweiten Weltkrieges Zehntausende ums Leben: Zivilisten auf der Flucht vor den erbitterten Kämpfen um die Hauptstadt, deutsche und sowjetische Soldaten. Angehörige der russische Armee, die derzeit auf Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Deutschland sind, haben jetzt die Bau-arbeiten des deutsch-russischen Ferngasleitungsprojektes im Bereich des ehemaligen Kampfgebietes südlich von Berlin besucht. Für den Bau der Ostsee-Pipeline-Anbindungs-Leitung (OPAL) ist die WINGAS-Gruppe eine Kooperation mit dem Volksbund eingegangen.
„Etwa fünf Tagen und gut 3.000 Kilometer wird das Erdgas zurückgelegt haben, wenn es aus den großen russischen Erdgasfeldern in Sibirien kommend ab Oktober 2011 über die Ostsee-Pipeline Nord Stream hier für den Großraum Berlin-Brandenburg ausgespeist wird“, erklärt Bernd Vogel, Geschäftsführer der OPAL NEL TRANSPORT GmbH auf der Baustelle bei Baruth (Kreis Teltow-Fläming). Die Gesellschaft ist ein Unternehmen der WINGAS-Gruppe und wird den Netzbetrieb der OPAL übernehmen. Die Leitung wird die Nord Stream mit dem europäischen Ferngasleitungs-system verbinden und ist mit einer Transportkapazität von 36 Milliarden Kubikmetern pro Jahr und einem Durchmesser von 1,40 Meter die größte in Europa verlegte Erdgasleitung. Welcher Aufwand betrieben werden muss, damit das russische Erdgas nach Deutschland kommen kann und wo es dann hingeht – darüber machte sich die Delegation der russischen Armee direkt vor Ort ein Bild.
Neben einer Unmenge an Munition und Kriegsschrott liegen bis heute sterbliche Überreste unentdeckt in den märkischen Wäldern „Für uns ist die Verlegung der Erdgasleitung eine Chance, möglicherweise zahlreiche Gebeine russischer und deutscher Kriegsopfer bergen zu können. Sofern wir Hinweise zur Identifizierung finden, werden wir damit auch persönliche
Schicksale klären“, sagt Reinhard Führer, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Seit Januar halten sich Umbettungs-Fachleute des Volksbundes auf Abruf bereit. Werden auf der 36 Meter breiten Trasse Hinweise auf menschliche Gebeine gefunden, verständigen die Baufirmen die Umbetter für die Bergung der Gebeine. Handelt es sich bei den Überresten um Kriegsopfer, werden die Toten zu den Kriegs-gräberstätten in Lietzen, Lebus, Halbe oder Spremberg überführt, wo sie ihre letzte Ruhestätte erhalten.
Die Soldaten des 90. Spezial-Such-Bataillons aus Mga (40 Kilometer süd-östlich von St. Petersburg) sind derzeit für einen 12-tägigen Austausch in Deutschland. Die Delegation der russischen Armee wird während dieser Zeit gemeinsam mit Soldaten des Wachbataillons im Bundesministerium der Verteidigung Kriegsgräber des Zweiten Weltkrieges in Berlin und Brandenburg pflegen und an Einbettungen gefundener Gefallener auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Halbe und dem russischen Soldatenfriedhof in Lebus teilnehmen. Seit 2007 finden die gemeinsamen Arbeitseinsätze der deutschen und russischen Soldaten abwechselnd in beiden Ländern statt. Erst Ende Juli waren deutsche Soldaten in Mga. Das dortige Bataillon hat vor allem den Auftrag, in der Russischen Föderation auf den Kriegs-schauplätzen des Zweiten Weltkrieges nach sterblichen Überresten gefallener Soldaten sowie nach Waffen und Munition zu suchen. Die deutschen Soldaten haben im Rahmen dieser Arbeitseinsätze gemeinsam mit den russischen Soldaten unter anderem die sowjetische Gedenkstätte auf den Sinjawino-Höhen in Stand gesetzt und deutsche Gefallene auf dem Soldatenfriedhof in Sologubowka bei St. Petersburg eingebettet.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. ist eine humanitäre Organisation. Er widmet sich im Auftrag der Bundesregierung der Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. Der Volksbund betreut Angehörige in Fragen der Kriegsgräberfürsorge, er berät öffentliche und private Stellen, er unterstützt die internationale Zusammen-arbeit auf dem Gebiet der Kriegsgräberfürsorge und fördert die Begegnung junger Menschen an den Ruhestätten der Toten. www.volksbund.de